Frühkindliche Bildung – Warum Sie Ihr Kind einfach Kind sein lassen sollten
Eltern wollen ihren Nachwuchs leistungsorientiert auf das Leben vorbereiten. Neben einem Bildungsprogramm im Kleinkindalter sind aber auch Freiräume für die Entwicklung eines Kindes wichtig.
Warum ist frühkindliche Bildung notwendig?
Forscher haben die Phase zwischen der Geburt und dem Eintritt in die Schule genauer untersucht. Sie wünschen sich bereits in dieser Lebensphase für unsere Kinder einen ausgeprägten Bildungsprozess. Nach den Erkenntnissen der Wissenschaft bedeutet eine intensive, vorschulische Bildung die Grundlage für effizientes Lernen im späteren Leben und eine immense Erhöhung der Chancen im Arbeitsleben. Vor allem in Familien, die unter der Armutsgrenze leben oder in denen Deutsch nicht als Muttersprache gesprochen wird, kommt es häufig zu einem benachteiligten Start der Kinder in eine erfolgreiche Bildungskarriere von Schule, Ausbildung oder Universität. Die Wissenschaftler stellten jedoch auch eine verzögerte Entwicklung bei Kindern fest, deren Eltern ihnen keine echte Zuwendung geben. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn die Eltern oder andere familiäre Bezugspersonen sich nicht mit dem Nachwuchs beschäftigen, sich nicht mit ihm unterhalten, den Kindern nichts vorsingen oder vorlesen. Kinder aus einer anregungsarmen, häuslichen Umgebung entwickeln oft ein Sprachdefizit und später eine Leseschwäche. Das hat fatale Auswirkungen auf die schulischen Leistungen. Diesen möglichen Defiziten sollen bereits Kinderkrippe und Kindergarten durch umfangreiche Maßnahmen der frühkindlichen Bildung entgegenwirken.
Frühkindliche Bildung im Kindergarten
Auch für engagierte Väter und Mütter hat die frühkindliche Bildung einen hohen Stellenwert. Für viele Eltern ist es wichtig, dass ihre Kinder auf die besten Schulen und die renommiertesten Universitäten gehen können, damit sie später auf dem Arbeitsmarkt gute Chancen haben. Denn die Eltern spüren in ihrer eigenen Arbeitswelt den Wettbewerb und den Druck, die ihnen immer mehr Leistungsbereitschaft, Flexibilität und zusätzliche Fähigkeiten abverlangen. Die Eltern wollen ihren Kindern den Weg ebnen, damit sie im Erwachsenenalter in der Lage sind, im globalen Wettbewerb mitzuhalten. Die Betreuungseinrichtungen für Kinder bieten neben der intensiven Schulung auch zahlreiche weitere Initiativen zur Frühförderung an. Bereits Dreijährige bekommen Englischunterricht in speziellen Kursen extra für Kleinkinder. Kinder lernen gern, sind neugierig und wissbegierig. Deshalb ist gegen eine breite Wissensvermittlung bereits im frühkindlichen Alter nichts einzuwenden. Doch es handelt sich hier um eine Gratwanderung. Die Anforderungen der vorschulischen Bildungsmaßnahmen sollten tatsächlich dem Alter der Kleinen angemessen sein. Bei allem Bildungseifer muss genügend Zeit bleiben, in der das Kind einfach Kind sein und ohne eine zielgerichtete Anleitung spielen darf. Sie als Eltern sind dafür verantwortlich, dass dafür genügend Freiraum bleibt.
Die Erwartungen an die Fähigkeiten eines Kindergartenkindes, welches in die Schule wechselt, sind in den letzten Jahren stark angestiegen. Viele Kindergärten haben sich deshalb einer verstärkten frühkindlichen Bildung verschrieben. Auch ein großer Teil der Elternschaft erwartet die intensive Förderung der Kinder. Ziel der Bildungsmaßnahmen darf jedoch nicht nur sein, akademische Fähigkeiten zu vermitteln. Es geht auch darum, den Kindern Eigenschaften wie Hilfsbereitschaft, Beziehungsfähigkeit und Flexibilität anzuerziehen. Um für die Schule und das spätere Leben gerüstet zu ein, ist es notwendig, bereits den Kleinen zu zeigen, dass es einfacher ist, Probleme zu lösen, wenn sie in der Lage sind, sich mit anderen Kindern auszutauschen und gemeinsam ein Projekt anzupacken. Dies wird den Kindern helfen, Freude daran und den Mut dazu zu haben, sich Wissen anzueignen und neue Erfahrungen zu sammeln.
Eine weitere wichtige Aufgabe des Kindergartens und für Sie als Eltern besteht darin, die Sprach- und Ausdrucksfähigkeiten der Kinder zu trainieren. Werden Sprachprobleme früh erkannt, sollten die Kinder gezielt gefördert werden. Um die individuellen Ausdrucksmöglichkeiten eines Kindes zu trainieren, sollten Sie auch die Freude an Büchern, dem Lesen und dem kreativen Malen und Gestalten wecken.
Im Alter zwischen drei und sechs Jahren, also bereits vor dem Schuleintritt, vermittelt der Kindergarten heute erste Kenntnisse im Umgang mit Zahlen. Die Kinder lernen bereits, von eins bis zehn zu zählen und geometrische Formen zu erkennen und zu benennen. Kleine Experimente bringen den Kindern physikalische Zusammenhänge nah. Die Kinder erfahren etwas über den respektvollen Umgang mit der Natur und anderen Lebewesen. Daraus resultierend werden bereits die Kleinsten mit so komplexen Themen wie der Mülltrennung und der Vermeidung von Müll vertraut gemacht.
Insgesamt haben die Kinder bereits ein großes Pensum an Lernstoff im Kindergartenalter zu bewältigen. Wenn in der Zeit, die die Kinder zu Hause verbringen, zusätzliche Kurse besucht und Termine eingehalten werden müssen, bleibt oft viel zu wenig Zeit, um spielen und in aller Ruhe der Fantasie freien Lauf lassen zu können. Viele Eltern, die mit einer gehörigen Portion Ehrgeiz nur „das Beste“ für ihr Kind wollen, überfordern ihren Nachwuchs.
Stress im Kindergartenalter darf nicht sein
Die verplanten Nachmittage nach dem Kindergartenbesuch lassen einfach zu wenig Raum, die altersgemäßen Stärken und Fähigkeiten zu entwickeln. Es gibt Eltern, die ihre Sprösslinge mit einem vollen Terminplan zu sehr einengen. Sie erwarten, dass die Kleinen sich den Vorstellungen der Eltern anpassen und damit wie kleine Erwachsene leistungsorientiert durch ihren Alltag gehen. Diese einseitige Herangehensweise ist heute bei vielen Vätern und Müttern verbreitet. Mittlerweile kommt es vor, dass Eltern ein schlechtes Gewissen haben, wenn sie der frühkindlichen Förderung bei ihren Sprösslingen Grenzen setzen und Wert auf nicht effektiv eingesetzte „freie Zeit“ für die Kleinen legen.
Zeit für selbst initiierte Beschäftigung
Für eine gesunde Entwicklung des Kindes ist es wichtig, den altersgemäßen Interessen und Bedürfnissen Platz einzuräumen. Bei aller gut gemeinten Förderung sind das Spielen und die vom Kind selbst initiierte Beschäftigung im Haus und in der Natur für sein momentanes Leben unersetzlich. Sie sollten als Eltern den Blick nicht nur sorgenvoll in die Zukunft des Kindes richten, sondern die Stufe der gegenwärtigen kindgerechten Entwicklung achten. Die Persönlichkeit, die Fantasie und die Anlagen der eigentlichen Stärken des Nachwuchses können sich nur unzureichend in stets verplanten Tagen entfalten. Für die persönliche Entwicklung braucht es viel Freiraum, den es in einer Kindheit eigentlich geben sollte. Ihr Kind sollte so viel wie möglich einfach nur Kind sein dürfen.
Fazit
Vater und Mutter sollten unbedingt auf die Signale achten, die ihr Kind aussendet. Die Erziehung der Kleinen darf nicht nur an den Plänen und Erwartungen der Eltern ausgerichtet werden. Wichtig ist, dass die Interessen und Stärken, die in jedem Kind angelegt sind, sich frei entwickeln können. Nur dann können Sie als Elternteil eine Ihrem Kind entsprechende und individuelle Förderung anbieten.