Im Dschungel der Paragrafen – das Baurecht und die Baugenehmigung
Bei der Baugenehmigung handelt es sich um einen sogenannten „begünstigenden Verwaltungsakt mit drittbelastender Wirkung.“ Was genau das bedeutet, lesen Sie hier.
Grundsätzliches zur Baugenehmigung
Eine Baugenehmigungspflicht für die Errichtung und Änderung von Gebäuden gibt es in Deutschland seit 1871. Artikel 14 Absatz 1 des Grundgesetzes gewährt zwar jedem Eigentümer die Baufreiheit, diese wird jedoch durch das parallel dazu existierende vorbeugende Bauverbot eingeschränkt. Grundsätzlich steht dem Bauherrn ein gebundener Anspruch auf die Erteilung einer Baugenehmigung zu, sofern das Projekt nicht gegen baurechtliche und/oder bauordnungsrechtliche Vorschriften verstößt. Missachtet der Bauherr die Gesetze und Verordnungen beziehungsweise reicht er keinen Antrag auf die Erteilung einer Baugenehmigung bei genehmigungspflichtigen Bauvorhaben ein, droht der Abriss oder die Anordnung des Rückbaues. Neben der Errichtung eines Gebäudes ist für eine Reihe von baulichen Änderungen/Nutzungsänderungen die Erteilung einer Baugenehmigung nötig. In Einzelfällen kann die Baubehörde zwar rückwirkend ein bereits ausgeführtes Bauvorhaben genehmigen, verzichtet allerdings in der Regel darauf um keine Präzedenzfälle zu schaffen.
Bauordnung und Bauordnungsrecht
Die Bauordnung ist Hauptbestandteil des Bauordnungsrechts. In der Bauordnung sind die für ein Bauvorhaben relevanten Anforderungen geregelt. Zu den weiteren Bereichen des Bauordnungsrechts gehören unter anderem die Garagenverordnung, Prüfungsbestimmungen zu Kaminen und Schornsteinen oder der Bau eines Kleinkraftwerks. Das Bauplanungsrecht wiederum bestimmt, unter welchen Bedingungen, in welcher Art und Weise sowie in welchem Ausmaß auf einem Grundstück grundsätzlich gebaut werden darf. Das heißt, planen Sie beispielsweise einen Anbau an einem Ein-/Mehrfamilienhaus, berührt dieser sowohl die Bauordnung als auch das Bauplanungsrecht. Die BauO (Bauordnung) beziehungsweise die LBO (Landesbauordnung) ist Ländersache, das Bauordnungsrecht unterliegt jedoch lediglich der Kompetenz der Bundesländer. Ihre Bauvoranfrage sowie Ihren Bauantrag reichen Sie grundsätzlich bei dem für Sie zuständigen Bauamt ein.
Bedeutung einer Baugenehmigung
Der Ausdruck „Baugenehmigung“ ist etwas irreführend. Er beinhalte nicht, wie allgemein angenommen, die Befugnis sein Bauvorhaben durchzuführen. Die Baugenehmigung ist ein öffentlich-rechtliches Genehmigungsverfahren, das prüft, ob Bauvorhaben mit den (geprüften!) Vorschriften übereinstimmen. Der Bauherr hat nach Erteilung der Baugenehmigung weiterhin die Pflicht gemäß den Bauvorschriften zu handeln. Die Baubehörde behält weiterhin ihre Eingriffsbefugnis, sie kann eine Baueinstellungsverfügung, eine Abrissverfügung oder eine Nutzungsuntersagung aussprechen, sobald die bauordnungsrechtlichen oder baupolizeilichen Anforderungen verletzt werden. Wasserrechtliche und immissionsschutzrechtliche Genehmigungen schließt die Baugenehmigung nicht ein, für sie muss der Bauherr einen gesonderten Antrag stellen. Mit seinen Arbeiten darf er erst nach der Baufreigabe beginnen, nicht schon beim Erhalt der Baugenehmigung.
Innenausbau und Umbau von Wohneigentum
Alle Baumaßnahmen innerhalb Ihrer eigenen vier Wände sind genehmigungsfrei, es sei denn, das Objekt steht unter Innendenkmalschutz. Dann benötigen Sie für einen Umbau die Genehmigung der Denkmalschutzbehörde, jedoch nicht des Bauamts. Bei Eigentumswohnungen sind Sie verpflichtet für alle Maßnahmen die das Gemeinschaftseigentum betreffen die Erlaubnis der Miteigentümer einzuholen. Das wäre beispielsweise der Fall, wenn Sie eine Photovoltaikanlage auf dem Dach anbringen möchten. Ohne Baugenehmigung können Sie ein Einfamilienhaus in ein Mehrfamilienhaus umwandeln und umgekehrt, da sich die genehmigte Nutzung als Wohnraum nicht ändert.
Anbauten, Dachaufstockung und Co.
Möchten Sie das Dach aufstocken, besteht immer die Notwendigkeit einer Baugenehmigung. Im Bebauungsplan Ihrer Gemeinde finden Sie dafür wichtige Angaben wie beispielsweise die Geschossflächenzahl. Sie ist eine dimensionslose Größe, die das Verhältnis aller Geschossflächen sämtlicher Vollgeschosse zur Fläche des Baugrundstücks angibt. Die Bundesländer Bayern, Hessen und Niedersachsen schreiben vor, dass beim Dachausbau mindestens die Hälfte der Grundfläche eine Deckenhöhe von minimal 2,20 Metern erreichen muss, in Sachsen, Berlin und Brandenburg sind es 2,30 Meter. Für Anbau und Wintergarten oder den Bau einer Garage ist ebenfalls eine Baugenehmigung unumgänglich. Viele Bauherren sind sich zudem darüber nicht im Klaren, dass sie ab einer bestimmten Größe für eine Terrasse beziehungsweise deren Überdachung eine Baugenehmigung benötigen. Selbst für die Anbringung von Solar- und Sonnenkollektoren verlangen einige Bundesländer die Erlaubnis des Bauamts.
Nutzungsänderung, der Umbau von gewerblichen Räumen, Kellern und Garagen
Unter den Begriff Nutzungsänderung fallen sämtliche Umbaumaßnahmen, durch die aus gewerblichen Räumen, Kellern, Garagen, Scheunen, Stallungen und Ähnlichem Wohnraum entsteht, beziehungsweise wenn Wohnraum einer anderen Nutzung zugeführt wird. Definiert ist die Nutzungsänderung als „eine Änderung der Nutzung gemäß der genehmigten Benutzungsart oder die Abweichungen der Zweckbestimmung eines baulichen Objekts“. Je nach Objekt und Bundesland unterliegt die Nutzungsänderung besonderen Vorschriften. So kann es durchaus sein, dass beispielsweise die Schaffung zusätzlicher Stellplätze für die Genehmigung der Nutzungsänderung gefordert wird.
Erhalten Sie von der Bauaufsichtsbehörde nach der Beantragung einer Nutzungsänderung nicht innerhalb von zwei Wochen einen ablehnenden Bescheid, können Sie das Genehmigungsverfahren einleiten. Bedenken Sie jedoch, wenn das Gebäude unter Denkmalschutz beziehungsweise Bestandsschutz oder Ensembleschutz steht, ist eine Nutzungsänderung deutlich schwieriger durchzusetzen, als bei ungeschützten Objekten. Historische Straßen mit ihren epochalen Häusern sind häufig nicht durch den Denkmalschutz gesichert, sondern zusätzlich mit Bestands- und/oder Ensembleschutz versehen. Dadurch benötigt der potenzielle Bauherr neben der Genehmigung des Bauamts auch eine Erlaubnis der Denkmalschutzbehörde. Durch eine Bauvoranfrage lässt sich im Vorfeld klären, welche staatlichen Schutzmaßnahmen es gibt und ob eine Chance besteht, die Genehmigung zur Nutzungsänderung zu erhalten.
Mindestabstände, kaum bedacht und doch so wichtig
Bei der Unter- beziehungsweise Überschreitung von Mindestabständen ist bei der Bebauung von Grundstücken auch bei normalerweise genehmigungsfreien Bauten eine Baugenehmigung nötig. Sie können dem Bebauungsplan der Gemeinde entnehmen, welche Abstände vorgeschrieben sind. Stammt das Gebäude aus der Zeit von vor 1965, gelten besondere Bedingungen, die Ihnen die zuständige Baubehörde nennt. Hier ist wie bei der Nutzungsänderung eine Bauvoranfrage durchaus angebracht. In vielen Fällen benötigen Sie bei Anbauten nicht nur die Genehmigung des Bauamts, sondern auch der Nachbarn. Planen Sie die Erstellung eines genehmigungsfreien Baus nahe der Grundstücksgrenze, sollten Sie vor Baubeginn die Meinung Ihres Nachbarn einholen, um Streit zu vermeiden. Befindet sich das Gebäude auf einer Grundstücksgrenze, dürfen Sie in einigen Bundesländern wie Baden-Württemberg oder Bayern trotz Einhaltung des Mindestabstandes Fenster nur mit Baugenehmigung und ohne Öffnungsmechanismus auf der zum Nachbarn hin liegenden Seite einbauen.
Änderung der Außenanlagen mit und ohne Baugenehmigung
Steht auf Ihrem Grundstück ein Schuppen oder ein altes Toilettenhäuschen, benötigen Sie für den Abriss keine Genehmigung. Anders sieht es mit einer Garage oder einen Wintergarten aus. Hierfür fordert die Gesetzgebung in ganz Deutschland die Zustimmung des Bauamts. In Bayern ist der Carport freigestellt, in vielen anderen Bundesländern nicht. Die Regelungen für Gartenhäuschen und den Bau von Unterstellmöglichkeiten variieren ebenfalls von Bundesland zu Bundesland. Die meisten Bundesländer erlauben das Aufstellen eines Gartenhäuschens mit geringem Rauminhalt ohne Genehmigungsverfahren.
Als Gartenhaus mit geringem Rauminhalt werden Schuppen zur Unterbringung von Fahrrädern und Gartengeräten bezeichnet. Besitzt das Gartenhaus mehr als einen Raum und/oder eine große, überdachte Terrasse, wird die Baugenehmigung Pflicht. Anders sieht es mit Lagerschuppen und Unterständen für Pferde, Schafe oder Ziegen aus. Sind sie auf drei Seiten geschlossen, müssen Sie in Baden-Württemberg einen Bauantrag stellen während Rheinland-Pfalz Sie erst ab einer bestimmen Größe dazu verpflichtet. Ähnliches gilt für in die Erde eingelassene Swimmingpools und Schwimmteiche, auch hier besteht keine einheitliche Regelung. In Nordrhein-Westfalen dürfen Sie bis zu einer Tiefe von zwei Metern graben, sofern die Fläche dabei 400 Quadratmeter nicht überschreitet und der Beckeninhalt nicht mehr 100 Kubikmeter beträgt. Hessen begrenzt die Grundfläche auf 300 Quadratmeter und fordert ab einer Tiefe zwischen 1,50 Metern und zwei Metern einen Bauantrag.
Fazit
Grundsätzlich gilt, dass jeder, der ein Haus ausbauen möchte, einen Anbau plant oder eine Nutzungsänderung ins Auge fasst, die Bauvorschriften des Landes kennen sollte. Es gibt keine pauschale Antwort, wann und in welchem Umfang eine Baugenehmigung nötig wird. Oftmals genügt dem Bauamt für einen Umbau die Mitteilung auf der Basis eines Architektenentwurfs. In anderen Fällen, beim Anbau und bei einer Nutzungsänderung, verlangen die Behörden grundsätzlich einen kompletten Bauantrag mit Architektenzeichnung, statischen Berechnungen und Lageplan, den ein Vermesser anfordern muss.
Bei größeren Umbaumaßnahmen ist es auf jeden Fall ratsam, einen Architekten bei der Vorplanung hinzuzuziehen. Er ist bei den baurechtlichen Vorschriften des Landes auf dem aktuellen Stand, weiß, wo eine einfache Anfrage genügt und wann ein umfangreicher Bauantrag nötig ist. Im Dschungel der Paragrafen lauern unzählige Fallstricke für den Laien. Die Nichtbeachtung baurechtlicher Vorschriften und Verordnungen führt schlimmsten Falls zur Anordnung des Rückabbaus oder gar Abrisses. Unwissenheit schützt Sie dabei nicht vor der Strafe.